in Projektmanagement - Praxis, Psychologie des Projektmanagements, Risikomanagement, Sourcing

Warum Großprojekte scheitern – die 7 Hauptursachen

Gerade lese ich das Buch „Industrial Megaprojects“ von Edward M. Merrow. Die Erfahrungen des Autors stammen vor allem aus der Öl- und Bergbauindustrie, die Schlussfolgerungen scheinen mir aber auch für andere Großprojekte zu gelten, jedenfalls so meine Erfahrung.

Ich zitiere die Kernaussagen im englischen Original, kommentiere diese in deutscher Sprache (sorry für das Denglisch, das dadurch zwangsläufig entsteht, aber es wäre schade um die Formulierungen des Autors).

Ursache 1. I want to keep it all!

Gemeint ist schlicht Gier, also überzogene Ansprüche an die Profitabilität eines Projektes. „Working a deal that will be seen as essentially unfair to other stakeholders will tend to backfire“. An anderer Stelle geht Merrow ausführlich auf die Illusion von Fixpreisvereinbarungen ein, vor allem, wenn der vereinbarte Preis deutlich unter dem Marktstandard liegt. Solche Projekte werden am Ende sehr teuer.

Ursache 2. I want it NOW!

Hier geht es um unrealistische Terminvorgaben. Jedes Großprojekt, so Merrow, hat ein adäquates Tempo, in dem es erfolgreich abgewickelt werden kann. Es bringt nichts, langsamer zu sein, aber es schadet enorm, wenn man versucht, schneller zu sein. Das führt direkt zu Fehler Nr. 3.

Ursache 3. Don’t worry; we’ll work out the details of the deal later.

Merrow zitiert die Regel eines erfahrenen Managers von Großprojekten: „The deal drives the project; the project can’t drive the deal!“ Er ergänzt, dass das Projekt zwar schon den Vertrag bzw. Auftrag bestimmen kann, aber was herauskommt ist niemals ein guter Deal. Vertrag und Projektplanung müssen gemeinsam erarbeitet werden. Aber die Eckdaten eines Projektes, die Ziele und Rahmenbedingungen müssen früh genug geklärt und vereinbart werden und müssen die Detailplanung des Projektes und auch die Reaktionen auf Probleme bestimmen, nicht umgekehrt.

Ursache 4. Why do we have to spend so much up front?

Merrow stellt fest, dass Großprojekte meist schlechter definiert und vorbereitet sind als kleinere Projekte. Je nach Projektgegenstand braucht eine saubere Projektdefinition und –planung von industriellen Megaprojekten 3 bis 5 % der Gesamtkosten. Die Gesamtkosten sollte man genau genug kennen, wenn höchstens 1 % des Gesamtbudgets verbraucht ist, nicht später.

Ursache 5. We need to shave 20 percent off that number!

Budgets werden gekürzt, ohne dass sich am Projektinhalt und den Rahmenbedingungen etwas ändert. Annahmen werden korrigiert, fast immer stellt sich jedoch am Ende heraus, dass diese Anpassungen sich in der Realität nicht umsetzen lassen. Am Ende wird es noch teurer als es ursprünglich geschätzt wurde.

Ursache 6. The contractors should carry the risk; they’re doing the project!

Top-Manager glauben, dass sie mit einem Fixpreis-Vertrag das Risiko auf die Lieferanten überwälzen können. Diese sind allerdings nicht in der Lage, so große Risiken zu tragen, es sind „variable-cost firms with very little in the way of fixed assets“. Und Merrow resümiert auf Grundlage zahlreicher Benchmarks: „No sponsor has ever paid less than the value oft he lump-sum contract, but many, many a sponsor has paid much more“. In der Praxis, so kann ich aus eigener Erfahrung ergänzen, fürchtet der Auftraggeber eines Großprojektes mehr um das wirtschaftliche Überleben des Lieferanten als umgekehrt, die Machtverhältnisse haben sich gedreht (und so rächt sich regelmäßig Fehler Nr. 1).

Ursache 7. Fire those #$@$ project managers who overrun our projects!

Große Budgetüberschreitungen können nur äußerst selten dem Projektmanager zur Last gelegt werden (siehe dazu die Fehler Nr. 1 bis 6). Wenn man den Überbringer schlechter Nachrichten köpft, werden schlechte Nachrichten unterdrückt, so lange es geht. Merrow zitiert seinen Rat an einen Top-Manager: „If you beat up the project managers for overruns, they will find ways to hide money so you can never find it. If they don’t, you have hired a bunch of morons. And morons don’t do projects well either!“. Einleuchtend, aber schwer zu akzeptieren, es ist allzu befriedigend, Sündenböcke zu finden, die nicht in der Vorstandsetage sitzen.

Hier das Buch, aus dem ich zitiert habe:

Schreibe einen Kommentar

Kommentar