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Wider die Meetingitis

Menschliche Kommunikation entfaltet ihre volle Qualität nur in der persönlichen Begegnung. Ja, das ist richtig. Wenn in Projekten per Mail, über Systeme wie JIRA, TFS etc. kommuniziert wird, entstehen oft Missverständnisse, gehen die Emotionen hoch und das Ergebnis leidet. Daher ist in Projekten eine der zentralen Regeln, keine Diskussionen per Mail etc. zu führen, sondern bei Unklarheiten oder sich anbahnenden Konflikten stets das persönliche Gespräch zu suchen, zumindest per Telefon oder Skype.

Das alles einmal festgehalten und doppelt unterstrichen muss ich aber doch auch auf ein Phänomen hinweisen, das wie so oft aus der Übertreibung einer an sich sinnvollen Regel entsteht, in diesem Fall eben der eingangs beschriebenen Präferenz für die persönliche Kommunikation. Es werden Aufgaben, die Schriftlichkeit, Einzelarbeit, Recherche, bilaterale Abstimmungen erfordern, in Besprechungen abgehandelt. Schlecht vorbereitet, ohne eine vorbereitete Präsentation oder einen Textentwurf treffen zahlreiche viel beschäftigte Leute zusammen und besprechen etwas, was auf diese Weise einfach nicht erledigt oder auch nur sinnvoll weiterentwickelt werden kann.

Noch schlimmer wird es, wenn dann auch niemand die Inhalte der Besprechung schriftlich festhält. Weniger schlimm, aber auch problematisch, wenn einige für sich Notizen machen, es jedoch kein gemeinsames Verständnis dessen gibt, was man besprochen, worauf man sich geeinigt hat und was offen geblieben ist und nun irgendwie von irgendwem erledigt werden soll.

Eine gemeinsame To-Do-Liste  die am Beamer für alle sichtbar befüllt wird, ist ein guter Ansatz. Wie genau und unmissverständlich diese Aufgabendefinitionen sind ist aber auch schwankend.

Wenn jemand bestimmt wird, der ein Protokoll führt, ist das immerhin ein guter Ansatz. Wenn dieses Protokoll aber erst erstellt wird, wenn die ersten To-Dos schon erledigt sein sollten, hilft das auch nicht weiter. Daher ist es gerade in IT-Projekten heute üblich, dass gleich protokolliert wird und alle mitverfolgen können, was niedergeschrieben wird. Das funktioniert für ablauforientierte Themen (also ToDos, Termine, Entscheidungen zu ausformulierten Alternativen) sehr gut und kann daher nachdrücklich empfohlen werden. Dass es gut ist, wenn die betreffende Person schnell schreiben kann und mit der verwendeten Anwendung (meist Word, Powerpoint, Excel) gut umgehen kann, ist trivial, aber auch nicht selbstverständlich.

Inhaltlich komplexere Themen können aber auf diese Weise nicht effizient erledigt werden. Die Beschreibung funktionaler Anforderungen, ein Architektur- oder Testkonzept können nicht in Meetings erarbeitet werden, außer die Meetings werden gut vorbereitet und dazu genutzt, Fragen zu besprechen, die einen Austausch von Informationen und Meinungen erfordern.

Leider sehe ich immer wieder, dass Meetings einberufen werden, ohne dass überlegt wird, ob das überhaupt die geeignete Methode ist, die gestellte Aufgabe zu erledigen.  Wenn dann solche Besprechungen ohne solide Vorbereitung, straffe Moderation und präzise Ergebnisdokumentation stattfinden, werden Personentage unwiderruflich vergeudet und die Termine beginnen zu rutschen. Aber natürlich lebt es sich gut in Meetings, wo man dabei sein kann ohne eine konkrete Aufgabe zu haben und ein nachvollziehbares Ergebnis zu liefern. Stress haben nur jene, die für das Projektergebnis verantwortlich sind.

Generelle Empfehlung daher: Die klassischen Planungsinhalte (Ergebnis, Termin, Aufwand) sind selbstverständlich notwendig, aber die Planung der Arbeitsweise im Projekt muss genauso erfolgen. Wie erarbeiten wir welche Ergebnisse? Wer übernimmt die Verantwortung für die Vorbereitung, die Dokumentation der Zwischenergebnisse und des Endergebnisses, wer stimmt mit wem zu welchem Zeitpunkt die Inhalte ab? Das ist keine Planung, die einmal und für das gesamte Projekt erledigt werden kann, sondern eine permanente Herausforderung. Anstrengender als Meetings einzuberufen, aber befriedigend durch den Erfolg.

Jede Arbeitspaketdefinition sollte auch einen Teil enthalten, in dem die vorgesehene Arbeitsweise beschrieben wird. Welche Informationsquellen ausgewertet werden sollen, wer in welcher Rolle und in welcher Weise an der Arbeit mitwirkt, welche Meetings zu welchen Zeitpunkten vorgesehen sind und was in Einzelarbeit oder bilateral erledigt wird.

Agile Methoden wie Scrum oder XP lösen das, indem bestimmte Methoden der Arbeit vorgegeben sind. Da die direkte und persönliche Kommunikation ein zentrales Element darstellt, sind diese Methoden auch effektiver und sogar effizienter als die formalisierten Vorgangsweisen von Projekten gemäß dem Wasserfallparadigma. Allerdings stößt so ein Vorgehen bei Großprojekten an Grenzen, vor allem auch, wenn Architekturfragen, Prozessinnovationen und Change-Prozesse notwendig für den Projekterfolg sind. Daher sind hybride Modelle zwar anspruchsvoller in der Durchführung, aber für große IT-Projekte unverzichtbar. Mein klarer Favorit, wenn es um hybride Projektmanagement-Methoden geht ist das Agile Business Consortium.

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