in Fallbeispiel

Die Geschichte der Elb Philharmonie – War das ein erfolgreiches Projekt oder eine Abfolge von Katastrophen?

Die Eröffnung 2017

Als Hamburgs neues Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, am 11. Januar 2017 in einem feierlichen Akt offiziell eröffnet wurde, waren die Kommentare von Begeisterung und einhelliger Zustimmung geprägt. Derart positive Reaktionen hat das als Jahrhundertbauwerk bezeichnete Projekt jedoch nicht immer hervorgerufen. Die Planung und der Bau des nun liebevoll Elphi genannten Gebäudes waren begleitet von Pleiten, Pech und Pannen. Lange Zeit wurde sie in einem Atemzug mit anderen Katastrophenprojekten wie dem Berliner Flughafen Willy Brandt oder dem Bahnhof Stuttgart 21 genannt, es galt als Lehrstück für fehlerhaftes Projektmanagement.

Die Anfänge

Begonnen hat Elphis Geschichte im Jahr 2001, als der Projektentwickler Alexander Gérard und seine Frau, die Kunsthistorikerin Jana Marko, dem Hamburger Senat ihre Idee für die Nutzung des nicht mehr benötigten Kaispeichers A in der Hamburger Speicherstadt vorstellten. Im Rahmen des ambitionierten Städtebauprojekts Hafencity Hamburg sollte das Konzerthaus eine ganz besondere Stellung einnehmen und der Stadt neue Impulse im Kultursektor verschaffen. Die Planungen sahen allerdings nicht nur eine Kulturstätte, sondern auch private Wohnungen, ein Hotel, verschiedene gastronomische Einrichtungen und ein Parkhaus vor.

Mit ihrer Initiative präsentierten Gérard und Marko einen Gegenentwurf zum Media City Port, der sich zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls in der Planung befand. Die Begeisterung für das Bauprojekt hielt sich bei den Entscheidungsträgern der Hansestadt jedoch in Grenzen. Dies änderte sich erst, als es dem Initiatorenehepaar im Jahr 2003 gelungen war, das renommierte Architekturbüro Herzog & de Meuron für ihr Projekt zu gewinnen. Doch schon gleich zu Beginn formierte sich erster Widerstand in Form einer Klage des Architekten Stephan Braunfels, der monierte, dass es keine öffentliche Ausschreibung für die Auftragsvergabe gegeben hatte. Davon unbeeindruckt traf der Hamburger Senat aber im Dezember 2003, ein halbes Jahr nach der ersten öffentlichen Vorstellung des Projektes, eine Grundsatzentscheidung. Vorbehaltlich der wirtschaftlichen und technischen Machbarkeit sollten die Baupläne umgesetzt werden.

Machbarkeitsstudie positiv

Im Mai 2004 wurde Hartmut Wegener vom Senat der Hansestadt offiziell zum Projektkoordinator bestellt, der unmittelbar dem Ersten Bürgermeister der Stadt, Ole von Beust, unterstellt war. Unterstützt wurde Wegener von einer Begleitgruppe und der ReGe Hamburg, die sich als Managementgesellschaft um alle anfallenden Bauherren-Verpflichtungen der Stadt kümmern sollte. Als im November 2004 ein geplantes Joint Venture zwischen dem Investor Dieter Becken und dem Initiator Gérard nicht zustande kam, übernahm die Stadt den Architektenvertrag und die alleinige Verantwortung für das Bauprojekt.

Die als Voraussetzung für ein weiteres Engagement der Stadt in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie bestätigte im Juli 2005, dass das Projekt in der vorliegenden Form sowohl technisch als auch wirtschaftlich zu realisieren sei. Die Netto-Baukosten wurden darin mit 186 Millionen Euro beziffert. Auf Grundlage dieser Zahlen beschloss der Senat, das Projekt in Angriff zu nehmen und mit 77 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen zu fördern. Der Finanzierungsmehrbedarf sollte durch Spenden und die privaten Investitionen in die Mantelbebauung gedeckt werden. Nach der Bewilligung der nötigen Planungsmittel durch die Hamburger Bürgerschaft wurde ein europaweiter Wettbewerb zum Bau, zum Betrieb und zur Finanzierung des Bauvorhabens ausgeschrieben. Mit der Gründung einer Stiftung im Oktober des Jahres 2005 wurde eine weitere wichtige Institution in das Vorhaben eingebunden. Die Elbphilharmoniestiftung kümmerte sich um das Sammeln von Spenden und weiteren Stiftungsmitteln, die erheblich zur Realisierung des Bauwerks beigetragen haben.

Ausschreibung und Auftragsvergabe

Im November 2006 stellte der Regierende Bürgermeister Ole von Beust den Gewinner des Bieterwettbewerbs vor. Gegen die Konkurrenz aus ganz Europa hatte sich das Konsortium Adamanta, bestehend aus dem Bauunternehmen Hochtief und der Commerzbank, mit einem Angebot in Höhe von 241,3 Millionen Euro durchgesetzt. Mit der Beantragung der Baugenehmigung im Herbst 2006 war ein weiterer wichtiger Schritt zur Realisierung des Mammutprojekts erfolgt.

Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg gab ihr Einverständnis zum Bau der Philharmonie am 28. 02. 2007. Als Auftraggeber wurde die Elbphilharmonie-Hamburg-Bau GmbH & Co. KG eingesetzt. Die Vertretung in der Gesellschaft übernahm die ReGe Hamburg Projekt-Realisierungsgesellschaft mbH.

Die Zahlen der Machbarkeitsstudie waren allerdings schon bei Auftragsvergabe überholt. Aus den zuvor als Beitrag der Stadt veranschlagten 77 Millionen waren da bereits 114 Millionen Euro geworden. Damit war das Ende der Kostenspirale aber noch lange nicht erreicht.

Konflikte zwischen Auftraggeber und Errichtungsgesellschaft um die Kosten

Im Jahr 2008 sah sich die Stadt mit hohen Nachforderungen von Seiten des Konsortiums konfrontiert. Dem Projektkoordinator Hartmut Wegener wurde vom Senat in diesem Zusammenhang eine krasse Fehleinschätzung der Situation vorgeworfen, was diesen veranlasste, seinen Posten zu räumen. Die Aufgabe des Geschäftsführers der ReGe wurde Heribert Leutner übertragen, der zuvor als Projektleiter tätig war.

Im November des Jahres 2008 billigte der Senat einen Nachtrag in Höhe von insgesamt 209 Millionen Euro. 137 Millionen erhielt Adamanta, mit dem Rest wurden zusätzliche Kosten auf der eigenen Seite ausgeglichen. Die Gesamtkosten für die Stadt stiegen so auf 399,9 Millionen Euro. Nach Abzug von zugesagten Spenden von 77 Millionen Euro blieben immer noch 323 Millionen übrig, die aus den Taschen der Hamburger Steuerzahler finanziert werden mussten.

Doch auch diese Summe sollte schon bald nicht mehr ausreichen. Jeweils zum Jahresbeginn 2010 und 2011 wurden neue Nachforderungen an die Auftraggeber gestellt. Im August 2011 ging Hochtief bereits von Gesamtkosten in Höhe von 476 Millionen Euro aus.

Im Dezember 2012 war die Bausumme schon auf mehr als das Doppelte der ursprünglich vorgesehenen Summe gestiegen. Aus den 241,3 Millionen Euro aus dem Angebot waren einschließlich der Planungskosten 575 Millionen geworden. Auf diesen Betrag einigte sich der Senat nach langen und äußerst schwierigen Verhandlungen mit dem Bauunternehmen Hochtief, das nach einer Neugestaltung des Vertrages als Generalunternehmer fungierte. In dem neuen Vertrag wurde das Unternehmen verpflichtet, das Gebäude zum Maximalpreis von 575 Millionen bis zum Sommer 2015 fertigzustellen und die öffentlichen Bereiche des Bauwerks am 30. Juni 2016 zu übergeben. Die Schlüsselübergabe für das gesamte Gebäude sollte am 31. Oktober 2016 erfolgen. Bei weiteren Verzögerungen sollte das Unternehmen eine Vertragsstrafe in Höhe von 575.000 Euro pro Werktag zahlen. Für diesen Fall soll Hochtief nach Informationen aus Branchenkreisen Rückstellungen von 80 Millionen Euro gebildet haben.

Am 23. April 2013 gab der Erste Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz bekannt, dass die Steuerzahler der Stadt am Ende insgesamt 789 Millionen Euro aufbringen müssen, um das Projekt zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Die Gesamtkosten für den Bau gab er mit 866 Millionen Euro an. In diesem Betrag waren die Kosten für die geplanten 45 luxuriösen Wohnungen nicht enthalten. Weiterhin bestätigte Scholz, dass die Differenz zwischen den von der öffentlichen Hand aufzubringenden Mitteln und den Gesamtkosten durch Spenden finanziert werden können.

Die Stadt übernimmt auch die Finanzierung des Luxushotels

Nachdem ein erstes Gutachten aus dem Jahr 2005 für das ebenfalls im Gebäude vorgesehene Hotel noch eine ausreichende Wirtschaftlichkeit bescheinigte, wurde diese in einer neueren Expertise bestritten. In dem 2008 erstellten Papier gehen die Wirtschaftsprüfer von einem Verlust in Höhe von 20 Millionen Euro aus. Ein zuvor interessierter Investor zog sich nach Bekanntwerden der Zahlen zurück, woraufhin auch hier die Stadt einsprang und den Bau mit etwa 200 Millionen Euro aus Steuergeldern finanzierte.

Nach seiner Fertigstellung wurde das 5-Sterne-Hotel mit 244 Zimmern von Adamanta an die Hotelgruppe ArabellaSheraton verpachtet. Bis zum Jahr 2032 sollen die Kredite für das Hotel durch die Pachteinnahmen getilgt sein. Danach ist ein Verkauf vorgesehen. Wir hoffen, dass das so funktioniert, Zweifel sind berechtigt.

Was ist schiefgegangen?

Durch die finanziellen Probleme und die Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern, die erst nach einer Neugestaltung der Verträge im Februar 2013 ausgeräumt werden konnten, musste die Eröffnung mehrfach verschoben werden. Bei der Grundsteinlegung zu dem Bauprojekt am 2. April 2007 waren alle Beteiligten von einer dreijährigen Bauzeit ausgegangen. Doch diese Planungen waren schon bald überholt. Zwar wurde die Bauzeit am Ende nicht so massiv überschritten wie beim größten der deutschen Katastrophenprojekte, dem Berliner Flughafen, allerdings ist eine Verzögerung von sechs Jahren ebenfalls recht beachtlich.

Bereits einen Tag nach der feierlichen Grundsteinlegung begannen mit der Errichtung eines Stahlkorsetts zum Schutz der Fassade und der Entkernung des alten Speichers die Bauarbeiten, die jedoch nicht wie geplant vorangingen. Im Mai 2010, zu einem Zeitpunkt, an dem das Gebäude eigentlich fertiggestellt sein sollte, wurde das Richtfest gefeiert.

Neben den finanziellen Differenzen kam es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Behörden, den Architekten und dem Bauunternehmen, die sich gegenseitig Behinderungen vorwarfen. Die mangelnde Koordination und Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien sowie Sicherheitsbedenken bei der Statik führten im Oktober 2011 zu einem Baustopp in wichtigen Teilbereichen des Projekts. Neben der technischen Gebäudeausstattung und der Rolltreppe waren davon die Sanierung der Fassade des Kaispeichers und in besonderem Maße die Dachkonstruktion betroffen. Erst nach mehreren Gutachten und verschiedenen Nachbesserungen sowie massiven Drohungen seitens des Senats, die Verträge zu kündigen, nahm Hochtief Ende Mai 2012 die Arbeiten wieder auf. Schon im Herbst 2011 hatte das Bauunternehmen aber verkündet, dass nicht vor dem November 2014 mit einer Fertigstellung des Gebäudes zu rechnen sei.

Aufgrund der Verzögerungen beim Bau war es bereits zuvor zu Mehrkosten in Höhe von 40 Millionen Euro gekommen, die Hochtief seit November 2008 beim Auftraggeber geltend machte. Auch in diesem Punkt kam es zum Streit mit der Stadt, die die Forderungen als unbegründet betrachtete und ihrerseits Schadensersatzforderungen in gleicher Höhe verlangte.

Wie wurde das Projekt schließlich gerettet?

Erst durch eine Vereinbarung im Juli 2012, in der die Eckpunkte für den weiteren Bau und der Sommer 2015 als Termin der Fertigstellung festgelegt wurden, konnte die Grundlage für einen neuen Vertrag geschaffen werden, der im Juni 2013 in Kraft trat. Darin wurden sowohl die Gesamtkosten in Höhe von 575 Millionen Euro, als auch die verbindliche Übergabe des Gebäudes im Oktober 2016 festgeschrieben.

Nachdem auf Grundlage dieses Vertrages alle Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche, Fristen und Kosten eindeutig geregelt waren, kehrte Ruhe in den Baubetrieb ein. Vertragsgemäß und fristgerecht wurde die Elbphilharmonie drei Jahre später übergeben. Seitdem haben schon tausende Besucher den öffentlich zugänglichen Bereich, die Plaza, besucht und den Blick über die Stadt und den Hafen genossen. Der große Konzertsaal wurde am 11. Januar 2017 mit einem großen Eröffnungskonzert eingeweiht.

Was lernen wir daraus für das Projektmanagement?

  • Wenn die Planungsgrundlagen eines Projektes nicht halten, kann das durch kein noch so professionelles Projektmanagement korrigiert werden.
  • Konflikte zwischen den Projektbeteiligten sind der sichere Weg in die Katastrophe. Wenn es nicht gelingt – allenfalls nach einem reinigenden Gewitter – konstruktiv zusammen zu arbeiten, gehen alle Aktivitäten des Projektmanagements ins Leere.
  • Wenn es Probleme in den Produktionsprozessen eines Projektes gibt (hier also im eigentlichen Bau), kann Projektmanagement das Problem frühzeitig erkennen, die Korrekturmaßnahmen initiieren und steuern, aber ohne Lösung des Primärproblems bleibt das wirkungslos.
  • Gutes Projektmanagement ist für den Erfolg eines Projektes notwendig, aber nicht hinreichend!
  • Terminverschiebungen und Budgetüberschreitungen werden bald vergessen, wenn das Ergebnis stimmt. Das magische Dreieck des Projektmanagements hat also einen deutlichen Schwerpunkt.

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