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Die Rolle der Führung im Projektmanagement

Hier als Podcast in englischer Sprache, generiert von Notebook LM

Ist Projektmanagement ein Supportprozess?

Projektmanagement wird oft als administrative Aufgabe verstanden, ich kenne einige Unternehmen, die diese Leistung als Commodity sehen und regelmäßig per Body-Leasing zukaufen. Bei der Auswahl der Projektmanager wird meist darauf geachtet, dass diese zertifiziert sind, in Deutschland und Österreich ist das oft eine Zertifizierung nach IPMA, international dominiert natürlich die Zertifizierung durch PMI, in einigen Ländern ist PRINCE2 stark vertreten.

Die Professionalisierung des Projektmanagements, die mit diesen Standards und den darauf aufbauenden Zertifizierungen einher geht, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings rückt dabei oft der Bezug zum Projektinhalt  in den Hintergrund. Inhaltsbefreites Projektmanagement sehe ich sehr kritisch. Ohne ein Verständnis der in einem Projekt zu leistenden Primärprozesse, also die „Herstellung“ der Lieferobjekte, kann man kein Projekt zum Erfolg führen.

Ebenfalls ein Defizit ist aber auch das Fehlen von Führungskompetenz in Projekten. Wird der/die Projektmanager*in zugekauft und ist das Rollenbild wie oben beschrieben das einer Supportfunktion, ist Führung im Sinne von Leadership ohnehin keine Anforderung. Aber Projekte sind Unternehmen auf Zeit und gerade aufgrund ihrer straffen Ziel- und Ergebnisorientierung ist Führung umso mehr unabdingbar.

Führung ist mehr als Projektadministration

Ich habe wieder einmal PMI Infinity gefragt, was man zu diesem Thema wissen sollte. Hier die Antwort (nach nur einem Prompt):

Führung in Projekten ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Projekts. Es geht über die bloße Verwaltung von Aufgaben hinaus und umfasst die Fähigkeit, ein Team zu inspirieren, zu motivieren und zu leiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Hier sind einige wichtige Aspekte der Führung in Projekten:

  • Vision und Richtung: Führungskräfte in Projekten setzen eine klare Vision und Richtung, die das Team inspiriert und motiviert.
  • Kommunikation: Effektive Kommunikation ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle Teammitglieder auf dem gleichen Stand sind und Missverständnisse vermieden werden.
  • Motivation: Führungskräfte müssen in der Lage sein, ihr Team zu motivieren und zu engagieren, um die bestmögliche Leistung zu erzielen.
  • Entscheidungsfindung: Führungskräfte treffen wichtige Entscheidungen, die den Verlauf des Projekts beeinflussen können.
  • Konfliktmanagement: Führungskräfte müssen in der Lage sein, Konflikte innerhalb des Teams zu erkennen und zu lösen, um eine produktive Arbeitsumgebung zu gewährleisten.

Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Projektadministration auf die organisatorischen und administrativen Aspekte des Projektmanagements. Hier sind einige Unterschiede zwischen Projektadministration und Leadership:

  • Fokus: Projektadministration konzentriert sich auf die Verwaltung von Aufgaben, Zeitplänen und Ressourcen, während Leadership sich auf die Führung und Motivation des Teams konzentriert.
  • Aufgaben: Projektadministratoren überwachen den Fortschritt, erstellen Berichte und stellen sicher, dass alle administrativen Aufgaben erledigt werden. Führungskräfte hingegen setzen eine Vision, inspirieren das Team und treffen strategische Entscheidungen.
  • Ansatz: Projektadministration ist oft prozessorientiert und folgt festgelegten Methoden und Verfahren. Leadership ist menschenorientiert und erfordert emotionale Intelligenz und zwischenmenschliche Fähigkeiten.
  • Ziel: Das Ziel der Projektadministration ist es, sicherzustellen, dass das Projekt innerhalb des Zeit- und Budgetrahmens abgeschlossen wird. Das Ziel der Führung ist es, das Team zu Höchstleistungen zu bringen und die Projektziele zu erreichen.

Damit ist es klar, wir brauchen beides!

Was macht erfolgreiche Führung aus?

In der Ausgabe Mai/Juni 2017 des Harvard Business Review wurde über eine Studie berichtet, die 4 Faktoren identifiziert, die erfolgreiche von weniger erfolgreichen Führungskräften unterscheidet. Die Autoren sind Personalberater und die Datenbasis sind ca. 17.000 Assessments von Führungskräften auf Geschäftsleitungsebene.

Was sind diese 4 Erfolgsfaktoren?

  1. Schnell und klar entscheiden („Deciding with speed and conviction“)
  2. Ergebnisorientierung („Engaging for impact“)
  3. Proaktiv handeln („Adapting proactively“)
  4. Zuverlässigkeit („Delivering reliably“)

Die Bedeutung dieser Faktoren ist nicht überall gleich, in Branchen mit hoher Veränderungs- und Innovationsrate ist Faktor 3 (Proaktivität) wichtiger als in weniger dynamischen Branchen. Nicht alle erfolgreichen Führungskräfte sind in allen 4 Faktoren stark, aber die besonders erfolgreichen weisen häufiger mehrere positiv ausgeprägte Faktoren auf. Insgesamt am höchsten ist die Wirkung des Faktors 4 (Zuverlässigkeit)

Erfolgsfaktor 1 kann man kurz und pointiert so zusammenfassen: Schnell entscheiden ist wichtiger als richtig entscheiden. Dazu der frühere CEO von Greyhound Stephen Gorman, der das Unternehmen durch einen Turnaround geführt hat: “A bad decision was better than a lack of direction. Most decisions can be undone, but you have to learn to move with the right amount of speed.” Kluge, aber langsame Entscheidungen werden zu Engpässen, dieser Stil strahlt auf alle Mitarbeiter aus, sie werden auch immer vorsichtiger und langsamer in ihren Entscheidungen. Dieser kumulative Effekt verursacht enorme Kosten.

Erfolgsfaktor 2 betont die essenzielle Bedeutung des Stakeholder-Managements. „We found that strong performers balance keen insight into their stakeholders’ priorities with an unrelenting focus on delivering business results“. Allerdings scheuen gerade erfolgreiche Führungskräfte nicht vor Konflikten zurück, wenn diese zur Erreichung der gewünschten Ziele notwendig sind. Ihre Akzeptanz stützt sich nicht auf Wohlfühlfaktoren, sondern auf das Vertrauen der Stakeholder, mit ihnen erfolgreich zu sein. Wichtige Stakeholder sind auch die Mitarbeiter, die Auswahl und Förderung der richtigen Mitarbeiter ist Teil dieses Erfolgsfaktors

Erfolgsfaktor 3 betont die Bereitschaft, Änderungen durchzuführen, wenn sie als notwendig erkannt werden und das frühzeitig und konsequent. Aber gerade deswegen versuchen solche Führungskräfte auch, sich auf Veränderungen frühzeitig vorzubereiten. „Most CEOs know they have to divide their attention among short-, medium-, and long-term perspectives, but the adaptable CEOs spent significantly more of their time—as much as 50%—thinking about the long term. Other executives, by contrast, devoted an average of 30% of their time to long-term thinking“.

Erfolgsfaktor 4 betont Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit von Führungskräften als Vorteil gegenüber High-Performern, deren Spitzenleistungen als wahrscheinlich nicht nachhaltig eingeschätzt werden. In diesem Erfolgsfaktor ist allerdings auch das aktive Management der Erwartungen der Stakeholder inkludiert. Unrealistische Erwartungen von Stakeholdern müssen vermieden oder nötigenfalls korrigiert werden, auch wenn das manchmal weh tut. Zuverlässigkeit in diesem Sinne ist also nicht als Opportunismus und bedingungslose Anpassungsbereitschaft zu verstehen. Dazu gehört auch ein hoher Grad an Organisation: „CEOs who ranked high on reliability employed several other tactics as well. Three-quarters of them were rated strong on organization and planning skills. They established business management systems that included a cadence of meetings, dashboards of metrics, clear accountability, and multiple channels for monitoring performance and making rapid course corrections. Most important, they surrounded themselves with strong teams“.

Jeder dieser Erfolgsfaktoren trägt auch dazu bei, Projekte erfolgreich zu führen. Erfolgreiches Projektmanagement erfordert zweifellos hohes Engagement für alle vier Faktoren. Dass Faktor 3 (Proaktives Handeln) in Projekten ebenso wie in Unternehmen mit dynamischem Umfeld besonderes Gewicht hat, scheint mir evident.

Führung ist nicht nur eine Stilfrage (wie?), es geht auch um konkrete Leistungsprozesse (was?)

Die Studie hat das Wie von Führung, den Führungsstil in den Vordergrund gestellt. Der Ton macht die Musik, könnte man salopp sagen. Autoritäte Führung, partizipative Führung, Servant Leadership sind einige der Schlagworte dazu. Die Frage nach effektiver Führung wird häufig auch mit der Schilderung von charismatischen Führungspersönlichkeiten beantwortet, so wird immer wieder Steve Jobs genannt, immer noch, wenn auch immer seltener Elon Musk. Das ist zwar inspirierend, aber nur ein Teil der Antwort auf die Frage, was erfolgreiche Führung ausmacht.

Die Autoren David G. Bowers und Stanley E. Seashore haben ihre Studie „Predicting Organizational Effectiveness with a Four-Factor Theory of Leadership“ im Administrative Science Quarterly, 11(2), 1966 veröffentlicht, damals die führende wissenschaftliche Zeitschrift für Organisationswissenschaften, vergleichbar dem, was heute noch „Nature“ für die Naturwissenschaften ist.

Sie sind der Frage nachgegangen, welche Aktivitäten einer Führungskraft die höchste Hebelwirkung für die Leistung und das soziale Klima einer Organisationseinheit hat. Sie fanden vier Faktoren, die den größten Unterschied ausmachten und aus heutiger Sicht sind das vier Prozesse, die eine Führungskraft managen muss, um erfolgreich zu sein. Meine These ist, dass genau diese vier Prozesse auch für die erfolgreiche Führung von Projekten entscheidend sind.

Prozess 1: Management der Zielklarheit und Zielakzeptanz

z.B.

  • Verdeutlichen der Arbeitsaufgabe des ganzen Teams und jedes einzelnen Teammitglieds
  • Begründung und Erklärung von Vorgaben und Entscheidungen in übergeordneten Bereichen, aber auch eigener Entscheidungen
  • Vertretung der Teaminteressen gegen unvernünftige Vorgaben
  • Mitsprachemöglichkeiten vorsehen.

Prozess 2: Management der Entwicklung der Teammitglieder

z.B.

  • Beachtung und Ausbau der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten
  • Ausbau der beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse
  • Hilfe bei persönlichen Problemen.

Prozess 3: Management der Beziehungen zwischen den Teammitgliedern

z.B.

  • Anstöße zur Zusammenarbeit geben
  • Verändern und Vermeiden von Außenseiterrollen
  • Möglichkeiten der Aussprache schaffen (z.B. regelmäßige Teambesprechungen)
  • Vermitteln bei Konflikten.

Prozess 3: Management der Arbeitsbedingungen

z.B.

  • Bereitstellen geeigneter Arbeitsmittel
  • Beseitigung störender Regelungen und sonstiger Hindernisse der Aufgabenerfüllung
  • regelmäßige und eingehende Information und Schulung.

Bemerkenswert ist, dass diese Prozesse nicht nur von der Führungskraft selbst erfüllt werden können, sondern dass diese in gut funktionierenden Teams in sehr hohem Maße auch von den Teammitgliedern selbst wahrgenommen werden. Es gibt eine wechselseitige Führung ohne eine formelle Vorgesetzten-Mitarbeiter-Rollenverteilung. Die wechselseitige Wahrnehmung dieser Führungsaufgaben (Bowers & Seashore sprechen von „Peer Leadership“) durch die Teammitglieder ist allerdings dort am höchsten, wo auch die Führungskraft sich stark für diese Prozesse engagiert.

Diese Untersuchung zeichnet sich gegenüber anderen Studien dadurch aus, dass die Leistungsmaße in sehr differenzierter Weise erhoben und ausgewertet wurden. Insgesamt wurden für jede Geschäftsstelle eines amerikanischen Lebensversicherungsunternehmens 70 Leistungsmaße sowohl auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Daten als auch Einschätzungen von Vorgesetzten erhoben. Von den insgesamt 100 Filialen wurden 20 aus dem auf diese Weise ermittelten obersten Leistungsbereich und 20 aus dem untersten ausgewählt. Durch die Untersuchung solcher Kontrastgruppen können die für die Leistung ausschlaggebenden Faktoren besonders deutlich erkannt werden.

Was ist zu tun, wenn man führt?

Das für mich wichtige Merkmal des Ansatzes von Bowers&Seashore ist, dass nicht über Eigenschaften von Führungskräften (ob in Projekten oder in einer Linienfunktion) gesprochen wird, sondern über „Jobs to be done“.

Wenn man sich am Prozessmodell orientiert, wird auch klar, dass Führung nicht nur von einer Person wahrgenommen werden muss und kann. Wenn man selbst in einem dieser Prozesse nicht so kompetent ist wie gewünscht und notwendig, kann das im Team aufgeteilt werden. Entgegen der vielfach vertretenen Meinung, es müsse immer genau einen Projektleiter bzw. eine Projektleiterin geben (das „Highlander-Syndrom“), habe ich mit Führungsteams fast immer gute Erfahrungen gemacht; wo diese Erfahrungen nicht positiv waren, lag es am Umfeld oder an einer oder mehreren der beteiligten Personen und wäre bei einer monokratichen Führungssituation auch nicht besser gelaufen.

Den Hinweis auf die Möglichkeit und Mächtigkeit von „Peer Leadership“ habe ich sonst nirgends in dieser Klarheit gefunden. Das Konzept des „Empowerments“ ist damit sicher eng verwandt, wenn auch nicht identisch. Daher meine ich, es lohnt sich auch heute noch, das schon 50 Jahre alte Führungsmodell von Bowers& Seashore zu kennen.

Inhaltsbefreites Projektmanagement als Tugend?

Ich erinnere mich noch gut, dass ein großes internationales Unternehmen postulierte, dass ein guter Manager alles managen kann. Dementsprechend gab es regelmäßige Jobwechsel in unterschiedlichste Bereiche. Ein Freund von mir war dort nacheinander im Consulting, im Softwarebereich und dann im Sales Management für Hardware tätig. Sicher eine grandiose Erfahrungssammlung für ihn. Ob das aus Sicht des Unternehmens die beste Lösung war, ist zu bezweifeln, auch wenn mein Freund jeden dieser Jobs gut bewältigt hat.

Viele Projektmanager denken immer noch so und sehen daher keine Notwendigkeit, sich mit den spezifischen Projektinhalten vertraut zu machen bzw. sich auf bestimmte Projekttypen zu spezialisieren.

Projektmanagement-Standards adressieren die für alle Projekte geltenden Herausforderungen und Lösungsansätze. Das liegt in der Natur solcher Standards und ist ihnen nicht vorzuwerfen. Jedes Projekt hat allerdings einen ganz spezifischen Inhalt. Es geht z.B. um die Errichtung eines Gebäudes, die Entwicklung und/oder Anpassung von Software, die Reorganisation eines Unternehmens, die Einführung eines Produktes am Markt usw. usw.

Je größer das Projekt, umso weniger werden Projektmanager an der inhaltlichen Arbeit beteiligt sein können. Aber immer gilt die Forderung, die in der Projektarbeit auftauchenden Fragen verstehen und beurteilen zu können, ob etwas eine Antwort auf die gestellte Frage ist oder nicht.

Fehlt das notwendige Minimum an inhaltlichem Verständnis, verkommt Projektmanagement zu einer Aufgaben-, Termin- und Aufwandsbuchhaltung. Unverstandenes wird dokumentiert und kommuniziert. Führung fndet nicht statt und die Ergebnisse sind entsprechend.

Meine Kritik an inhaltsbefreitem Projektmanagement ist nachhaltig, über viele Jahre gewachsen und durch Erfahrungen bestätigt. Ich stehe zu dieser Kritik! Aber ich habe auch Konstruktives dazu geschrieben, ich kann den Download dieses Artikels hier anbieten.

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