in Kommunikation, Praxistipps, Teamarbeit

Formulierungen machen einen großen Unterschied

Alle stark sachorientierten Leute (und dazu zählen wohl alle, die im IT-Umfeld arbeiten), haben eine Allergie gegen Befindlichkeiten: Emotionen führen dazu, dass ein sinnvoller Vorschlag nicht akzeptiert und umgesetzt wird. Man möge Befindlichkeiten hintanstellen, Emotionen ausblenden etc., das sind die Appelle, die man immer wieder hört. Menschen reagieren auf solche Aufrufe allerdings oft mit umso mehr Ablehnung, empfinden das als Versuch der Manipulation. Spricht man den Umstand der störenden emotionalen Reaktionen ausdrücklich an, wird es oft noch schlimmer, das wird als Unterstellung diffamiert und die Gesprächsatmosphäre ist nachhaltig verdorben. Metakommunikation ist nicht immer eine gute Lösung.

Was kann man also tun? Teambuilding ist eine wirkungsvolle Maßnahme, kostet allerdings viel Zeit und die Frage ist auch, welche Personen als Angehörige des Teams gelten und welche nicht. In den Großprojekten, mit denen ich vorwiegend zu tun habe, ist eine solche Maßnahme schwer finanzierbar und wahrscheinlich würde die Diskussion über die Abgrenzung des Teilnehmerkreises mehr zerstören als durch das Training einer ausgewählten Gruppe gewonnen wird. Gesucht sind also Ideen, die ohne großen Aufwand und möglichst unauffällig in der laufenden Projektarbeit integriert werden können.

Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie solche Maßnahmen aussehen können, ist für mich das Buch von Manfred Prior, der „Minimax-Interventionen – 15 minimale Interventionen mit maximaler Wirkung“ beschreibt.

Prior schreibt für Psychotherapeuten, seine Beispiele sind daher für Projektmanager etwas exotisch und das ist wohl auch der Grund, warum dieser Ansatz wenig bekannt ist. Aber die Ideen sind, mit entsprechend anderen Formulierungen, in jedem Kontext sinnvoll und hilfreich. Man sollte auch über die Zeichnungen und die mundartlichen Texte eines Bären (auch dieser von geringem Verstand) hinweg lesen, ich jedenfalls habe diese als störend empfunden, ohne dass dadurch der Wert des Buches in Mitleidenschaft gezogen würde.

Einige Interventionen, die meiner Meinung nach in Projekten unmittelbar umsetzbar und nützlich sind, möchte ich hier herausgreifen und mit eigenen Beispielen erläutern:

Intervention 1: „In der Vergangenheit …“
Wenn ein Problem angesprochen wird, dann mit dem kleinen Zusatz „bisher …“ oder „In der Vergangenheit…“.
Also nicht: „Die Testabdeckung ist unzureichend“, sondern „Die Testabdeckung ist bisher unzureichend“.
Nicht: „Die unzureichende Mitarbeit der Fachabteilung kennen wir als Problem ja zur Genüge'“, sondern „In der Vergangenheit hatten wir regelmäßig Probleme, eine ausreichende Mitarbeit der Fachabteilung zu erreichen“.
Gleiche Aussage, ganz unterschiedliche Wirkung! Und wenn jemand sagt, das ist doch unehrlich? Stimmt nicht, denn wer weiß, wie die Zukunft sein wird, alle Aussagen können sich daher nur auf die Vergangenheit beziehen. Hier wird es nur ausgesprochen. Wenn man etwas ändern will, ist es ja auch sinnvoll, die Chance der Veränderung schon in der Formulierung zu betonen. Das ist also nicht unehrlich, sondern vernünftig und erfolgsorientiert.

Intervention 2: Nicht „ob“, sondern „wie“, „was“ und „welche“
Wir kennen die Aussage, etwas sei keine Frage des Ob, sondern nur des Wie. So direkt ausgesprochen, kann das Widerstand hervorrufen. Wenn man das aber in ganz normale Formulierungen integriert, ist die positive Wirkung eher möglich und wahrscheinlich.
Also nicht: „Es ist unklar, ob wir die Freigabe des Auftraggebers zur Aufstockung der Ressourcen bekommen“, sondern „Es ist unklar, wie wir die Freigabe … bekommen können“.
Nicht: „Es ist offen, ob wir dafür zeitgerecht eine Lösung finden“, sondern „Es ist offen, welche Lösung wir dafür innerhalb des gegebenen Zeitrahmens finden können“.
Ob es funktioniert ist in beiden Varianten offen gelassen, aber die Aufforderung, nach Lösungen zu suchen ist deutlich stärker ausgeprägt, wenn man den Empfehlungen Priors folgt.

Intervention 7: „Noch nicht …“
Verwandt mit Intervention 1, aber noch stärker zukunftsorientiert und eine positive Veränderung nahe legend.
Also nicht: „Wir haben keinen abgestimmten Plan für das Vorgehen in der nächsten Projektphase“, sondern „Wir haben noch keinen abgestimmten Plan für ….“.
Nicht: „Uns fehlt die verbindliche Zusage, dass Frau Maier in den nächsten zwei Monaten Fulltime dem Projekt zur Verfügung steht“, sondern „Uns fehlt noch die verbindliche Zusage …“.
Wieder, rein auf der Sachebene die gleiche Aussage, auf der Beziehungsebene eine völlig andere Wirkung. Der Handlungsappell ist unterschwellig, aber wirksam in die Aussage verpackt.

Intervention 10: „Angenommen, Sie würden …“
Ratschläge sind selten willkommen, vor allem, wenn sie ungebeten erteilt werden; aber selbst dann gibt es emotionale Hürden, weil man sich in seinem Entscheidungsspielraum eingeengt fühlt.
Daher nicht: „Sie sollten den Termin um einen Monat zu verschieben“, sondern „Angenommen, Sie würden den Termin um einen Monat verschieben?“.
Nicht: „Es bietet sich doch an, den Auftrag an die Firma Hypertalk zu erteilen“, sondern „Angenommen, Sie würden den Auftrag der Firma Hypertalk erteilen?“.

Intervention 12: „Nicht-Vorschläge“
Verwandt mit Intervention 10 ist eine Variante der paradoxen Intervention. Gute Ideen, die sehr leicht auf Widerstand in Form eines „Ja, aber …“ treffen, kann man durch die Paradoxie des Voranstellens einer Verneinung leichter annehmbar machen. Es geht dabei nicht um ein Täuschungsmanöver, man darf auch nicht frustriert sein, wenn diese Verneinung vom Gesprächspartner angenommen wird. Man muss also die Möglichkeit des Gegenübers, den Rat abzulehnen, sowohl äußerlich als auch innerlich, sowohl sachlich als auch emotional, akzeptieren.
Man leitet also Sätze ein mit Formulierungen wie: „Und es ist nicht nötig, dass …“; „Es muss jetzt noch nicht so sein, dass …“; „Es ist derzeit nicht unbedingt notwendig, dass Sie …“ usw.
Also nicht: „Sie müssen das Projekt jetzt auf Rot setzen“, sondern „Es ist nicht nötig, das Projekt auf Rot zu setzen, aber die Situation ist doch kritisch“.
Nicht: „Wir sollten den Meilensteinplan anpassen“, sondern „Es ist nicht unbedingt notwendig, den Meilensteinplan schon jetzt anzupassen, aber wir müssen im nächsten Lenkungsausschuss über unsere Einschätzung der Lage berichten“.
Ich denke, das Prinzip ist durch die Beispiele hinreichend klar: Man signalisiert aktiv, dass unser Gegenüber nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt wird, sondern wir signalisieren durch die Formulierung deutlich, dass es seine bzw. ihre Entscheidung ist. Würden wir das allerdings so aussprechen („Es ist natürlich Ihre Entscheidung, allerdings scheint mir, dass ….“), ist die Wirkung eine fundamental andere.

Priors Buch ist sehr stark auf Psychotherapie zugeschnitten. Aber bei entsprechender Bereitschaft, die Ideen in den eigenen Berufskontext zu übersetzen, lohnt sich die Lektüre (und ein Preis von nicht einmal 10 € fällt auch in die Minimax-Kategorie).

P.S.: Wer mehr über paradoxe Interventionen wissen möchte, ist mit diesem Buch von Christian Ankowitsch hervorragend bedient. Leicht lesbar, amüsant und doch seriös.

Schreibe einen Kommentar

Kommentar

Webmentions

  • hit789

    … [Trackback]

    […] Information on that Topic: it-governance.blog/formulierungen-machen-einen-grossen-unterschied/ […]

  • sagame

    … [Trackback]

    […] Read More here to that Topic: it-governance.blog/formulierungen-machen-einen-grossen-unterschied/ […]

  • โคมไฟ

    … [Trackback]

    […] Read More on that Topic: it-governance.blog/formulierungen-machen-einen-grossen-unterschied/ […]

  • website here

    … [Trackback]

    […] Read More Information here on that Topic: it-governance.blog/formulierungen-machen-einen-grossen-unterschied/ […]