Vorbemerkung: Ich weiß, eine KI kann kein Urheberrecht beanspruchen. Aber wenn ich schon der Versuchung erlegen bin, den Visual Creator (Teil von MS Co-Pilot) zu bemühen, will ich das auch offenlegen. Die Nachbearbeitung (Zuschneiden auf das richtige Format) hat dann ChatGPT übernommen. Ich habe auch zum Inhalt einige Versuche mit diversen KI-Tools gemacht, aber das ergab Texte, die in der dafür typischen Weise richtig und gleichzeitig banal waren. Der nachfolgende Text ist daher – im Gegensatz zum Bild – nicht von einer KI generiert.
Engpassorientierung – Die Grundlagen
Die klassische Grundlage der Engpassorientierung ist das Minimumprinzip von Justus von Liebig, auch bekannt als das Minimumgesetz. Es besagt, dass das Wachstum von Pflanzen durch die im Verhältnis knappste Ressource eingeschränkt wird. Diese Ressource, auch Minimumfaktor genannt, kann ein Nährstoff, Wasser, Licht oder ein anderer essenzieller Faktor sein. Wenn ein Boden etwa zu wenig Phosphat enthält, kann man diesen Mangel nicht durch erhöhte Gaben von Stickstoff, Kalium usw. ausgleichen.
Diese Regel ist unmittelbar einleuchtend und man könnte fragen, was es in Zusammenhang damit zu erklären gibt und ob es überhaupt denkbar ist, dass jemand nicht entsprechend diesem Gesetz handelt. Tatsächlich ist es jedoch oft so. Salopp gesprochen verzettelt man sich, kämpft an Nebenfronten, erfasst nicht den Kern eines Problems etc. Das hat sowohl emotionale Gründe (man weicht einer unangenehmen Aufgabe aus) als auch rationale (man erkennt nicht, wo der Engpass liegt).
Die „Theory of Constraints“
Der kritische Weg in einem Projektplan beschreibt die Abfolge von Aufgaben, die ohne Verzögerung abgeschlossen werden müssen, um das Projekt fristgerecht zu beenden. Jede Verzögerung bei Vorgängen auf dem kritischen Weg verschiebt den gesamten Zeitplan und das Projektende.
Das Konzept des kritischen Weges wurde von Eliyahu M. Goldratt weiter entwickelt und ist ein wesentlicher Bestandteil der Theory of Constraints (TOC). Zum Unterschied vom kritischen Weg, der die zeitlichen Abhängigkeiten der Aufgaben abbildet, berücksichtigt die „Critical Chain“ der TOC auch die Verfügbarkeit und Zuweisung von Ressourcen.
Der TOC-Zyklus
Die Theory of Constraints stellt strikte Regeln auf, um den Erfolg eines Projektes zu sichern. Das ist der Projektsteuerungsprozess der TOC:
- Identifizierung des Engpasses: Der erste Schritt besteht darin, den aktuellen Engpass im System zu finden. Dieser Engpass limitiert den Fortschritt des gesamten Projektes. Der Engpass ist typischerweise eine Ressource, deren mangelnde Verfügbarkeit die Erledigung von Aufgaben verzögert, die am kritischen Weg liegen.
- Maximale Nutzung des Engpasses: Nach der Identifizierung des Engpasses wird sichergestellt, dass dessen Kapazität ohne Effizienzverluste für die terminkritischen Aufgaben zur Verfügung steht. Leerlaufzeiten und Unterbrechungen sind zu vermeiden. Es ist die Situation, in der z.B. die Manager den Entwicklern Pizza und Kaffee servieren und für sie einkaufen gehen.
- Entlastung des Engpasses durch andere Prozesse: Die vorgelagerten Prozesse und Ressourcen sollten so angepasst werden, dass sie den Engpass entlasten und dessen maximale Produktivität unterstützen. Das klingt einfach, erfordert allerdings, dass keine Vollauslastung der Ressourcen eingeplant werden darf, so dass immer Kapazitätsreserven vorhanden sind, um den jeweils aktuellen Engpass zu entlasten.
- Erhöhung der Kapazität des Engpasses: Durch Investitionen, neue Technologien oder Umstrukturierungen wird die Kapazität des Engpasses erweitert, um den Output des gesamten Systems zu steigern
- Wiederholung des Zyklus: Nach der Optimierung des aktuellen Engpasses entsteht ein neuer Engpass. Der Zyklus startet also wieder bei Schritt 1.
Die Priorisierung von Aufgaben und die Zuordnung von Ressourcen wird also nicht dem freien Ermessen eines Projektmanagers, Product Owners oder Scrum Masters überlassen. Theoretisch gibt die TOC in jeder Situation klar vor, welche Ressourcenzuordnung zu treffen ist.
Limitierende Faktoren der TOC-Umsetzung
In der Praxis stellen sich allerdings zahlreiche Herausforderungen, die einer perfekten Umsetzung der TOC im Wege stehen. Das sind die aus meiner Sicht wichtigsten Hindernisse:
- Mangelnde Verfügbarkeit belastbarer Daten: Die TOC ist vom Paradigma eines Produktionsprozesses mit einer Real-Time-Datenerfassung und -Verfügbarkeit geprägt. Auch sind in Produktionsprozessen die Aufwände für die Durchführung der einzelnen Prozessschritte mit hoher Genauigkeit bekannt, da es sich um Wiederholprozesse handelt. In Projekten werden Aufwände geschätzt und sind mit hoher Unsicherheit behaftet.
- Vorlaufzeit von Maßnahmen: Selbst wenn man den aktuellen Engpass richtig identifiziert, sind Maßnahmen zu seiner Optimierung nicht sofort wirksam. In vielen Fällen herrscht auch kein Konsens über die beste Maßnahme zur Optimierung oder es sind geeignete Maßnahmen einfach nicht umsetzbar, weil Skills, Kapazitäten etc. fehlen.
- Generelle Überlastung:Nicht erst seit dem allgemeinen Fachkräftemangel sind für Projekte immer wieder dieselben Personen erforderlich, weil sie das dafür notwendige Know-How und das ideale Mindset haben. Die TOC argumentiert mit Recht, dass ein Abbau der Überlastung durch Reduktion der WIP (Work in Progress), also das Verzögern des Projektstarts, eine enorme Erhöhung der Produktivität bringt. Diese Empfehlung widerspricht der (falschen) Intuition, dass man umso früher fertig wird, je früher man mit der Projektarbeit anfängt. Die Umsetzung der TOC stellt hohe Anforderungen an die Autorität des Projekt-Portfolio-Managements, die in der Praxis selten gegeben ist.
- Emotionale Widerstände: Die Umsetzung der TOC wird als drastische Reduktion des Entscheidungsspielraumes der Projektmanager*innen empfunden. Das strikte Regelwerk widerspricht dem Konzept der selbstorganisierenden Teams. Wenn Projektteams die Erkenntnisse der TOC verstehen und akzeptieren, löst sich der Widerspruch auf. Das Change Management erfordert allerdings eine selten vorhandene Kombination von „technischem“ Wissen (Operations Research in der Ausprägung TOC) und Soft Skills für ein erfolgreiches Akzeptanzmanagement.
Die EKS (Engpasskonzentrierte Strategie)
Die Engpasskonzentrierte Strategie (EKS) ist eine Strategielehre, die Wolfgang Mewes entwickelt und erstmals 1970 in einem umfangreichen Fernkurs dargestellt hat. Ich habe diesen Kurs in den 80-er-Jahren absolviert und er hat mich nachhaltig geprägt. Genaugenommen ist die EKS eine Meta-Strategie, also eine Anleitung, wie Strategien gestaltet werden sollen, um zum Erfolg zu führen.
Den ursprünglichen Fokus auf die Karriereplanung hat Mewes später erweitert und die EKS zu einer allgemeinen Strategielehre für Personen, Unternehmen und soziale Systeme aller Art ausgebaut. Seit 2008 liegen umfassende Werknutzungsrechte an der EKS bei Fredmund Malik, der diese in die MAS (Malik Alleinstellungs-Strategie) integriert hat. Eine allgemein zugängliche Darstellung der EKS liefert das Buch „Das große 1×1 der Erfolgsstrategie„, das mittlerweile in der 27. Auflage vorliegt. Es enthält eine Vielzahl von Fallbeispielen, in denen die bewusste und oft auch unbewusste Anwendung der EKS-Prinzipien zum Erfolg führte.
Die EKS enthält keine expliziten Aussagen zum Management von Projekten. Dennoch lassen sich aus der EKS Empfehlungen für das Projektmanagement ableiten. Für mich bietet die EKS einen Rahmen, der die TOC als eine unter bestimmten Voraussetzungen optimale Methode impliziert, nämlich dann, wenn ein Ressourcendefizit bei einer Aktivität am kritischen Weg der aktuelle Engpass ist.
Die EKS betrachtet alle sozialen und biologischen Systeme unter dem Gesichtspunkt der darin wirkenden Kräfte. Dies können Antriebs- oder Bremskräfte sein, ebenso Anziehungs- oder Abstoßungskräfte. Dieses Spiel der Kräfte zu erkennen und für die Erreichung der eigenen Ziele zu nutzen, ist das Grundprinzip der EKS.
In seinem Geleitwort zur 22. Ausgabe der „Erfolgsstrategie“ schreibt Wolfgang Mewes: „Die EKS ist die Lehre vom effektiven Einsatz jeder Art von Energien. Ihre Gesetze gelten systemübergreifend […]. Ob Sie Ihren Firmen- oder Abteilungserfolg, Ihr (Selbst‑)Management oder Ihre Karriere verbessern wollen: Sie müssen Ihre Kräfte bündeln und auf den kybernetisch wirkungsvollsten Punkt konzentrieren“.
Was ist der effizienteste Erfolgsfaktor?
Die zentrale Empfehlung der EKS ist die Konzentration der Kräfte auf eine möglichst eng umrissene und homogene Zielgruppe mit einem Nutzenangebot, mit dem das brennendste Problem der Zielgruppe adressiert wird.
Das brennendste Problem der Zielgruppe bezeichnet die EKS als externen Engpass, die Faktoren, die der Lösung des brennendsten Problems der Zielgruppe durch uns (egal ob einzelne Person, Team, Unternehmen, Projekt etc.) entgegenstehen als internen Engpass. Der externe Engpass hat immer Vorrang vor dem internen: „Denke stets extrovertiert, fokussiere nicht so sehr auf interne Probleme. Denn je besser man die Probleme und Engpasspässe der Zielgruppe löst, desto besser wird man auch seine eigenen Probleme lösen“ (Erfolgsstrategie, S. 29).
„Jedes vernetzte System hat einen kybernetisch wirkungsvollsten Punkt, von dem aus die Entwicklung des gesamten Systems gesteuert werden kann“ (Erfolgsstrategie, S. 25). „In vernetzten Systemen kommt es also nicht darauf an, möglichst große Kräfte einzusetzen, sondern die vorhandenen Kräfte auf den jeweils wirkungsvollsten Punkt zu richten“ (ibid., S. 26).
Dieser wirkungsvollste Punkt ist der Engpass, auch als Minimumfaktor bezeichnet; Mewes bezieht sich explizit auf Justus von Liebig. Der Minimumfaktor wechselt im Zeitverlauf, „der Engpass wandert“. Wenn z.B. in einem Projekt der aktuelle Engpass die Verfügbarkeit bestimmter Skills ist und man diesen Mangel beseitigt, ist der dann aktuelle Minimumfaktor vielleicht ein Planungsdefizit, um die Prioritäten des Einsatzes dieser zusätzlichen Ressourcen zu bestimmen. Ist dieser Minimumfaktor behoben, ist der neue Engpass z.B. das Vorliegen hinreichend detaillierter und mit dem Kunden abgestimmter Spezifikationen.
Primär ist das Mindset
Ein weiteres EKS-Prinzip ist der Vorrang immaterieller vor materiellen Vorgängen. „In jedem sozialen System gibt es materielle und immaterielle Engpässe, die auf vielfältige Weise miteinander vernetzt sind. Nur wenn beide Ebenen betrachtet werden, kann sich das Unternehmen optimal entwickeln“ (Erfolgsstrategie, S. 34). Das mag reichlich esoterisch klingen, letztlich meint es aber das, was man – ich beschäftige mich hier mit Projekten – als Projektkultur bezeichnet. Die EKS sieht Unternehmen (und Projekte) als dynamische Systeme: „Spannungen (Wünsche, Bedürfnisse, Ängste, Visionen, Erwartungen, Probleme, Intuition) sind die Triebfeder menschlichen Handelns. Immer dann, wenn zwischen Ist‑ und Soll‑Zustand eine Differenz auftritt, erleben wir Spannungszustände, die uns zum Handeln und zu Verhaltensänderungen motivieren. Spannungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen Energie innewohnt. … Spannungen wirken im Engpass immer am stärksten“ (Erfolgsstrategie, S. 36f).
Don’t work hard, work smart
„Der eigene Erfolg hängt nicht davon ab, wie hart man arbeitet und wie sehr man sich anstrengt, sondern davon, wie gut es gelingt, auch die im Umfeld vorhandenen Spannungen zum eigenen Vorteil zu nutzen“ (Erfolgsstrategie, S. 37). Das ist allerdings nicht als Aufforderung zu egoistischer Ausbeutung der Umwelt gemeint. Denn: „Je besser Sie die immateriellen Prozesse erkennen und beeinflussen, desto besser sind die materiell finanziellen Ergebnisse“ (S. 39). Und: „Je mehr man dazu beiträgt, die Probleme anderer zu lösen, desto mehr werden diese anderen ihre Energie und ihre Ressourcen auf Sie richten!“ (Erfolgsstrategie, S. 38).
Die Engpassorientierung besagt in diesem Beispiel, dass es nichts bringt, die mangelnden Spezifikationen und Planungen fertig zu stellen, solange die für die Erledigung notwendigen Skills nicht zur Verfügung stehen. Es ist also immer zuerst der Engpass (der Minimumfaktor, der kybernetisch wirkungsvollste Punkt) zu suchen und zu beseitigen.
Diese Aussage ist für die Praxis allerdings zu relativieren, da es Vorlaufzeiten gibt und man im Voraus selten genau bestimmen kann, wie lange die wirksame Umsetzung einer Maßnahme braucht und was die nächsten Engpässe sein werden. Es ist daher notwendig und sinnvoll, Maßnahmen zu setzen, die nicht den aktuellen, sondern den vermuteten nächsten oder übernächsten Engpass adressieren. Richtig ist allerdings auch in diesem Fall, dass die maximale Wirkung nur erzielt werden kann, wenn jedenfalls der aktuelle Engpass zuerst beseitigt wird.
In der EKS wird dieser Unsicherheit mit der Empfehlung einer „schiefen Schlachtordnung“ Rechnung getragen. In Anlehnung an diese militärische Taktik beschreibt Mewes damit die Empfehlung, nicht alles auf eine einzige Karte zu setzen, sondern mehrere Optionen zu verfolgen. Dabei allerdings jene mit deutlich höchster Priorität, die geeignet erscheint, den aktuellen Engpass zu beseitigen.
Entscheidend ist das Stakeholdermanagement
Generell kann man aus der EKS für Projekte ableiten: Ein Projekt lebt davon, dass es seiner Zielgruppe einen Nutzenanbietet. Das entspricht der zentralen Rolle des Business Case in allen Standards des Projektmanagements. Allerdings sieht die EKS diesen „materiellen“ Faktor nur als eine notwendige, aber nicht hinreichende Grundlage für den Projekterfolg.
Die EKS richtet das Stakeholdermanagement radikal an den Bedürfnissen der „Zielgruppe“ aus: „Entscheidend ist allein, welches Problem die Zielgruppe für ihr wichtigstes hält. Über die Lösung des größten Engpasses bieten sie der Zielgruppe den größten Nutzen. Nach Lösung des größten Engpasses müssen sie sich konsequent dem nächsten widmen“ (Erfolgsstrategie, S. 141).
Die Idee dahinter: Je attraktiver das Nutzenangebot eines Projektes ist, umso leichter wird es die erforderlichen Ressourcen (Know-How, Personal, Sach- und Finanzmittel) erhalten.
Vorgehensmodell der EKS
Das Vorgehensmodell zur Steuerung eines Projektes auf Basis der EKS sehe ich so:
1. Wer ist die relevante Zielgruppe, wer hat den höchsten Nutzen aus dem Projekt und ist auch bereit und in der Lage, dafür „zu zahlen“. Nur, wenn dieser Punkt positiv abgeschlossen werden kann, machen die weiteren Schritt Sinn. Wenn diese Frage zu keinem befriedigendem Ergebnis führt, muss das Projekt eingestellt bzw. nicht gestartet werden.
2. Was ist für diese Zielgruppe der Engpass? Wo besteht der größte Schmerz und was wäre der höchste Gewinn? Was ist also der externe Engpass?
3. Welche Umstände im Projekt be- oder verhindern es, den externen Engpass erfolgreich zu beseitigen? Was ist also der interne Engpass?
4. Was ist zu tun, um den internen Engpass zu lösen, so dass nachfolgend der externe Engpass beseitigt wird?
5. Wer kann was tun und bis wann? Aktion: Initiieren dieser Maßnahmen und laufendes Controlling der Umsetzung.
6. Reichen diese Maßnahmen aus? Wenn nein, weiter bei Punkt 4.
Auf der Suche nach dem Engpass
Der externe Engpass eines Projektes ist dessen Erfolg, also die Erfüllung des Projektauftrages. Allerdings ist nicht klar, ob eine Abweichung von den im Projektauftrag genannten Zielen wirklich das brennendste Problem der Auftraggeber ist.
Ich habe selbst in einem Projekt in einem vertraulichen Gespräch mit dem Auftraggeber erfahren, dass sein brennendstes Problem darin besteht, dass ein kommunizierter Fertigstellungstermin keinesfalls wieder verschoben werden darf, ich könne aber diesen Termin bestimmen. In einem anderen Projekt – zufällig mit dem selben Auftraggeber – gab es wiederum einen fixen Termin, dessen Versäumen den Wert des Projektes weitgehend vernichtet hätte. Noch mehr galt dies für ein Großprojekt zur Umstellung der Systeme eines Finanzdienstleisters auf den Euro, hier war der Termin 1.1.2002 absolut fix und dessen Nicht-Einhaltung hätte das Unternehmen existenziell gefährdet.
In jedem der genannten Fälle ergab sich aus dem externen Engpass ein jeweils spezifischer Mix von Maßnahmen. Diese hatten mehr mit Scope- und Stakeholdermanagement zu tun als mit der Optimierung des internen Ressourcenmanagements, auch wenn natürlich letztlich in einem IT-Projekt die Bereitstellung funktionierender Software das letztgültige Erfolgskriterium ist.
Nicht zufällig hat die Standish Group für die Beurteilung des Projekterfolges die Kriterien „OnBudget, OnTime, OnTarget“ durch die Kriterien „Valuable, OnGoal, Satisfactory“ ersetzt. Begründung: „We avoid penalizing a project for having an evolving target, which all projects have, even the very small ones“. Auch PMI hat die Erfolgsdefinition für Projekte in analoger Weise weiter entwickelt: ein erfolgreiches Projekt liefert einen Wert (Nutzen höher als Aufwand) und dieser wird von den relevanten Stakeholdern wahrgenommen und akzeptiert. Kurz formuliert: Erfolg ist „Value+Perception“.
Der interne Engpass liegt im Bereich der Prozesse und Ressourcen des Projektes. Als Suchraster für die Management-Prozesse eignen sich Standards wie z.B. die ISO 21500 bzw. der weitgehend identische, aber detailliertere PMBOK.
Die Produktionsprozesse in einem IT-Projekt umfassen die Softwareentwicklung bzw. das Customizing von Software. Hier kann der SWEBOK als Suchraster dienen. In anderen Bereichen sind je nach Verfügbarkeit andere Systematiken heranzuziehen.
Es werden immer Maßnahmen im Bereich der Ressourcen notwendig sein. Die Erweiterung des Projektteams und/oder der Austausch von Personen, Bereitstellung von Räumen, das Engagement von Beratern zur gezielten Behebung von Know-How-Defiziten, Maßnahmen zur Korrektur von Schwachstellen der Projektkultur etc. Was immer getan wird, Kriterium ist immer der Beitrag zur Behebung des internen Engpasses, der wiederum Mittel zum Zweck ist, um den externen Engpass zu beheben.
Mein Resümée: EKS und TOC bzw. CCPM
Wenn man das Wort Engpass im Kontext des Projektmanagements hört, denkt man natürlich sofort an die Theory of Constraints(TOC) und den daraus abgeleiteten Ansatz des Critical Chain Projektmanagements (CCPM). Die EKS ist eine in der Projektmanagement-Community kaum bekannte Denkschule.
Zu TOC und CCPM gibt es im projektmagazin eine hervorragende Sammlung von Fachbeiträgen in einem Spotlight. Ein ChatBot, der Fragen zu diesen Management-Ansätzen basierend auf qualitätsgesicherten Dokumenten beantwortet, wird vom Netzwerk BlueDolphin bereitgestellt, dem ich auch angehöre.
Aus der TOC abgeleitet gibt es eine Fülle sehr konkreter Instrumente, um die Produktivität von Projekten signifikant zu steigern. Wenn dies der relevante interne Engpass ist, um den externen Engpass zu lösen, ist man mit dem Instrumentarium des CCPM bestens bedient und die EKS hat hier nichts Vergleichbares zu bieten, weil sie in einem anderen Kontext entwickelt wurde.
Allerdings erinnert mich die CCPM an das Bonmot von Paul Watzlawick: Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Es ist richtig, dass in jedem Projekt früher oder später die Erhöhung der Produktivität (des „Durchsatzes“ in CCPM-Terminologie) zum internen Engpass wird, dessen Beseitigung Priorität hat. Und zweifellos ist die Reduktion des „Work in Progress“ und damit des Multitaskings dafür der richtige Ansatz. Aber meist müssen zuerst Engpässe in vorgelagerten Bereichen beseitigt werden, bis der Durchsatz zum internen Engpass wird. So gesehen sind EKS und CCPM keine Gegensätze, allerdings sollte die EKS als übergeordnete Sicht zur Identifikation des jeweils prioritären Handlungsfeldes eingesetzt werden.