Ein Kollege, den Tom DeMarco wohl als Adrenalin-Junkie klassifiziert hätte, sagte immer: „Sieger erkennt man am Start!“ Klang überzeugend und sollte wohl alle motivieren, mit Elan an jede neue Herausforderung heranzugehen.
Im ersten Moment dachte ich mir auch, das sei ein gutes Statement, aber bald kamen die Zweifel. Als Marathonläufer weiß ich, dass ein zu hohes Tempo am Start fatal ist. Ich starte immer mit regelmäßigem Blick auf die Pulsuhr, denn wenn alle lospreschen, verliert man das Gefühl für das wahre Tempo. Gute Marathonläuferlegen zwei gleich schnelle Hälften hin, idealerweise wird man sogar etwas schneller. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen, meine persönliche Marathon-Bestzeit habe ich erzielt, als ich in der zweiten Hälfte um nur 24 Sekunden langsamer war als in der ersten.
Projekte sind durchaus mit einem Marathon zu vergleichen, es kommt darauf an, mit einem optimalen Tempo zu starten, dieses durchzuhalten und idealerweise am Ende noch Reserven zu haben. Am Start kann man nicht erkennen, ob jemand dieses Kriterium erfüllt, man weiß es erst beim Zieleinlauf ganz genau, denn auch auf den letzten Kilometern kann noch was schiefgehen, oft genug habe ich Läufer mit Krämpfen wenige Kilometer vor dem Ziel gesehen, das ist die Höchststrafe.
Es kann auch noch ganz am Ende etwas passieren
Gut damit vergleichbar ist es, wenn ein Projekt beim Go-Live ins Straucheln kommt. Wenn es schon während der Projektlaufzeit geholpert hat, kann man ja Wetten abschließen, dass das Ende jedenfalls nicht besser sein wird. Es kommt aber auch bei gut laufenden Projekten vor, dass es am Ende so richtig holpert. Ich habe aus meiner Erfahrung einige typische Probleme in der Schlussphase von Projekten zusammengefasst, hier der Beitrag „Wie man beim Go-Live nochmals in Straucheln kommen kann“.
Es ist gut, diese potenziellen Stolperfallen schon am Start im Auge zu haben und während des Projektes nicht aus dem Auge zu verlieren. Man kann allerdings auch fragen: Was ist ein erfolgreiches Projekt? Der Schiefe Turm von Pisa, die Entdeckungsfahrt von Christoph Kolumbus, Apollo 13 und in der letzten Zeit auch die Elbphilharmonie sind Projekte, die ganz anders geendet haben, als im Projektauftrag stand, trotzdem kann man nicht sagen, dass sie gescheitert sind. Mit dieser Frage habe ich mich ganz allgemein in einem Vortrag beschäftigt, diesen gibt es als Video. Das Thema dieser Mail adressiere ich ganz am Anfang es Vortrages, aber natürlich freue ich mich, wenn auch der Rest interessiert.
Speziell mit der Elbphilharmonie habe ich mich etwas ausführlicher beschäftigt und die Geschichte sowie die Ursachen der Probleme und schließlich auch den Weg zum guten Ende beschrieben.
Man kann es gleich zu Beginn verbocken, durch einen Vertrag
Wenn am Ende manches nicht klappt, kann das auch einfach Pech sein. Es gibt äußere Umstände, die auch mit der besten Planung und dem kompetentesten Projektmanagement nicht vorhergesehen und verhindert werden können. Aber ein oft eindeutig selbst verschuldeter Faktor, der ein Projekt ins Straucheln bringt, sind ungeeignete Verträge. Hier glauben viele Auftraggeber und ihre Anwälte, dass erfolgreiche Vertragsverhandlungen dadurch definiert sind, dass man möglichst viel durchgesetzt hat. Dass man also dem Auftragnehmer umfassende Pflichten auferlegt und ihm möglichst viele Risiken überbunden hat. Man glaubt also, den Sieger am Start schon erkennen zu können.
Aber: Abgerechnet wird am Schluss. Scheinbar erfolgreiche Vertragsverhandlungen können die unmittelbare Ursache für Probleme sein. Dazu habe ich einen ausführlichen Blog-Artikel geschrieben.
Wer dazu mehr erfahren möchte, ist herzlich eingeladen, die Aufzeichnung meines Webinars vom 25. Juni 2024 anzusehen.