Der Erfolg des IT-Einsatzes ist gegeben, wenn die Anwender damit effektiver und effizienter arbeiten können als vorher. Alle IT-Systeme sind in diesem Sinne Werkzeuge, die im Rahmen der Geschäftsprozesse angewendet werden. Dass die IT diese Werkzeuge entwickelt und betreibt, ist eine Dienstleistung gegenüber den Anwenderbereichen. Die IT, ob als Abteilung oder als Unternehmen innerhalb eines Konzernverbundes organisiert, agiert hier als Dienstleister.
Auch andere Bereiche eines Unternehmens erbringen Dienstleistungen für unternehmensinterne Leistungsempfänger, zum Beispiel das Rechnungswesen, der Personalbereich, das Facility Management.
Die Anwenderbereiche sind Kunden, sie bestellen Produkte und Dienstleistungen und bekommen diese entsprechend den Qualitäts-, Termin- und Kostenvorgaben von ihren internen Dienstleistern geliefert. So das Idealbild.
Sind wir nicht alle Dienstleister?
Die Anwenderbereiche selbst nützen die IT-Unterstützung zur Herstellung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen für ihre Kunden. Modernes Prozessmanagement sieht jeden Geschäftsprozess aus der Perspektive des Leistungsempfängers und es macht keinen Unterschied, ob dieser Teil desselben Unternehmens oder ein „echter“ Kunde ist. Jedes Unternehmen, jede Organisationseinheit, jede Person ist gleichzeitig Dienstleister und Empfänger von Dienstleistungen, also Kunde und Dienstleister je nach Situation. Insofern folgt aus einer Dienstleistungsbeziehung nicht automatisch ein generelles Autoritäts- und Prestigegefälle. Am Verhältnis von Vertrieb und Produktion kann man einen dauerhaft schwebenden und unauflösbaren Konflikt beobachten, welcher Bereich nun wessen Dienstleister ist.
Was ist, wenn der Dienstleister mehr weiß als der Kunde?
Interessant sind Dienstleister-Kunden-Modelle bei qualifizierten Berufen, zum Beispiel Ärzten, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Hier wird klar, dass die Anordnungsbefugnis des Kunden an Grenzen stößt, weil es um die Verfügbarkeit von spezifischem Know-how geht, das dem Kunden fehlt. Der Kunde muss also in gewissen Bereichen den Empfehlungen des Dienstleisters folgen, will er nicht Schaden erleiden. Andererseits kann der Kunde (auch Klient oder Patient) diesem Dienstleister das Mandat entziehen und letztlich auch gegen dessen Rat handeln. Tut dies etwa ein Patient, so muss er ausdrücklich und nachweislich über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden, was dann geschieht, fällt in seine Eigenverantwortung.
IT Abteilungen hatten und haben vielfach damit zu kämpfen, dass man ihnen keine vergleichbare Position zugesteht wie den genannten qualifizierten Dienstleistern. Obwohl das Business-Management betont, von IT nichts zu verstehen und viele sind darauf sogar stolz, erwarten sie von der IT-Abteilung die widerspruchslose Ausführung von Aufträgen. Das kann allerdings genau so ins Auge gehen, wie wenn ich meinen Kardiologen vorschreibe, ob er mir einen Stent setzen soll oder nicht.
Die Vorteile des Dienstleistermodells
In den Anfängen des IT-Einsatzes waren viele IT-Abteilungen alles andere als Dienstleister. Sie sagten den Anwendern, was zu tun sei, wie es zu tun sei und insbesondere was nicht möglich sei. Auch heute noch gibt es IT-Abteilungen, die von ihren Anwendern in erster Linie als Nein-Sager und Innovationshemmnis erlebt werden. Ein Übriges trägt dazu die bekannte Unzuverlässigkeit bei der Erfüllung von Terminen und bei der Einhaltung von Budgets bei, die in IT-Projekten geradezu regelmäßig auftritt. Die Quote an gescheiterten IT-Projekten, von der die Standish Group jedes Jahr im Chaos Report berichtet, bestärkt mit statistischen Daten dieses Image.
Das Verständnis der IT als Dienstleister war in vielen Unternehmen daher ein Versuch, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Wie so oft führten auch hier Befreiungsversuche oft zu überzogenen Reaktionen, die der IT eine untergeordnete, rein ausführende Rolle zuschrieben. Dieses Verständnis der Dienstleisterrolle kann für Commodity-Services wie den Betrieb eines Data-Centers oder die Wartung der Arbeitsplatzausstattung durchaus ohne Schaden für das Ergebnis praktiziert werden. Nicht zufällig werden solche IT-Leistungen outgesourct und die Leistungserbringung wird über standardisierte Verträge mit Service Level Agreements und mengenabhängigen Fixpreisen geregelt.
Digitalisierung erfordert ein geändertes Rollenmodell
Unter dem Stichwort „Digitalisierung“ wird der umfassende Wandel und die Neugestaltung von Geschäftsmodellen, Produkten, Dienstleistungen und Arbeitsweisen durch den Einsatz digitaler Technologien beschrieben. Es geht dabei um eine tiefgreifende Transformation des gesamten Unternehmens oder wesentlicher Wertschöpfungsketten, nicht nur um die Optimierung einzelner Prozesse. Digitalisierung zielt darauf ab, durch den Einsatz neuer Technologien Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die Kundenerfahrung zu verbessern und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Mit der Digitalisierung wurde IT erstmals zur Sache des Top-Managements, sie ist nicht mehr nur ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung oder gar nur ein Kostenfaktor, der so weit wie möglich zu reduzieren ist. Der IT-Einsatz ist zur unabdingbaren Voraussetzung für die Weiter- und Neuentwicklung von Geschäftsmodellen geworden. Ich kenne keine Top-Manager, die heute noch stolz verkünden, dass sie an IT nicht interessiert seien.
Unternehmen wie Amazon, Uber, Airbnb und natürlich Google und Facebook beruhen in ihrem Kern auf der Nutzung der Potenziale der Informationstechnologie. Hier ist offensichtlich der IT-Einsatz keine standardisierbare Dienstleistung, die man von einem zum Befehlsempfänger degradierten Dienstleister erbringen lässt, den man nach dem Kriterium des günstigsten Preises auswählt. IT ist hier die unverzichtbare Grundlage der gesamten Geschäftstätigkeit.
Mittlerweile gilt in immer mehr Branchen, dass die Nutzung der IT nicht mehr einseitig von den Anwenderbereichen definiert und dann angeordnet bzw. bestellt werden kann. Der Einsatz der IT muss im Dialog aller Unternehmensbereiche konzipiert werden. Es gibt keine Einbahnstraßen mehr: Die IT orientiert sich am Geschäftsmodell und den damit verbundenen Geschäftsprozessen. Die Anwenderbereiche wiederum reagieren auf Potenziale der IT und integrieren diese in neue Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle. Ein Vorgehen gemäß einem Wasserfall-Modell ist in solchen Settings kontraproduktiv. Es braucht einen Dialog und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe (siehe Grafik).
Wie kann Zusammenarbeit auf Augenhöhe funktionieren?
Anwenderbereiche und IT müssen gemeinsam an der Umsetzung der Unternehmensziele arbeiten. Die IT muss dafür sorgen, dass immer mehr Bereiche der IT-Services als standardisierte Services bereitgestellt werden. Diese Dienstleistung wird in einem optimierten Mix aus Eigen- und Zukaufleistungen erbracht. Durch das professionelle Management dieser Dienstleistungen schafft sich die IT die notwendigen Freiräume zur kreativen Mitwirkung an der Weiterentwicklung des Unternehmens. Durch eine hohe Qualität ihrer Beiträge schafft sich vor allem die unternehmensinterne IT-Organisation die notwendige Akzeptanz, um als Partner wahrgenommen zu werden. Alle Beteiligten nehmen ihre ureigenen Aufgaben mit Engagement und Qualität wahr und übernehmen dafür gegenüber der Geschäftsleitung gemeinsam die Verantwortung.
Die Anwenderbereiche sind dafür verantwortlich, ihre Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse zu optimieren und dabei auch disruptive Innovationen in Betracht zu ziehen. Diese Disruption kann durch Marktentwicklungen erzwungen oder ermöglicht werden, sie kann aber auch durch neue technische Optionen erzwungen oder ermöglicht werden. Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) ist das aktuelle Beispiel. Auch wenn das aktuell alle Merkmale eines Hypes aufweist, können wir davon ausgehen, dass es eine nachhaltige Entwicklung ist. Das Aufzeigen von Optionen einer radikal geänderten Prozessgestaltung von Seiten der IT einerseits, die Innovationsbereitschaft und Kreativität des Business bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen, die diese Chancen nutzen, kann nur durch so ein dialogisches Rollenmodell erreicht werden.
Was ist zu tun?
Ein Verharren in einem asymmetrischen Rollenmodell (Business schafft an, IT führt aus) ist eine existenzielle Gefahr für jedes Unternehmen und jede Organisation. Eine Kultur der partnerschaftlichen Zusammenarbeit muss entwickelt werden, sie erfordert Organisations- und Personalentwicklung. Das ist zu tun:
- Abkehr vom Service-Provider-Modell: Die traditionelle Sichtweise von IT als reinem Dienstleister, der die Anweisungen der Fachbereiche ausführt, ist in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß. Die IT muss als gleichberechtigter Partner in die Entwicklung von Geschäftsmodellen und -prozessen eingebunden werden.
- Dialog und Zusammenarbeit: Anstatt einseitig Aufträge zu erteilen oder entgegenzunehmen, sollten IT und Fachbereiche in einem kontinuierlichen Dialog stehen. Gemeinsame Workshops und Projektteams können dazu beitragen, die Bedürfnisse und Herausforderungen beider Seiten zu verstehen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
- Verständnis für die Expertise des jeweils anderen: Die Fachbereiche müssen die Komplexität der IT und die Bedeutung einer strategischen IT-Planung anerkennen. Die IT wiederum muss die fachlichen Anforderungen der Geschäftsbereiche verstehen und ihre Lösungen darauf abstimmen.
- Gemeinsame Verantwortung: Sowohl IT als auch Fachbereiche tragen gemeinsam die Verantwortung für den Erfolg von IT-Projekten und die Umsetzung der Unternehmensziele. Eine klare Aufgabenverteilung und transparente Kommunikation sind dafür unerlässlich.
- Schaffung einer Kultur des Vertrauens: Eine offene und wertschätzende Kommunikation ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Fehlerkultur und die Bereitschaft, voneinander zu lernen, sind wichtige Elemente einer vertrauensvollen Partnerschaft.
- Entwicklung gemeinsamer Ziele: Die IT und die Fachbereiche sollten gemeinsame Ziele definieren, die auf die strategischen Ziele des Unternehmens ausgerichtet sind.
- Professionelles Service Management: Die IT muss in der Lage sein, standardisierte IT-Services in hoher Qualität bereitzustellen. Dies schafft Freiräume für die IT, sich aktiv an der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu beteiligen.
Fazit: Die digitale Transformation erfordert eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen. Nur durch einen intensiven und wertschätzenden Dialog, ein klares Verständnis der gegenseitigen Rollen und die Schaffung einer Kultur des Vertrauens können Unternehmen und öffentliche Organisationen die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich meistern.